Ein schöner Zufall an einem Sonntagabend in Berlin. Um 18 Uhr begann die Aufführung von Woyzeck am Berliner Ensemble und zwei Stunden später konnte man zum Deutschen Theater laufen, um die Inszenierung von Woyzeck Interrupted zu sehen.
Es war ein Abend der Kontraste, zu Beginn erdschwer und herausfordernd in der Interpretation und die zweite Hälfte auf kompromißlose Weise auf das Kerngeschehen des Femizids konzentriert. Gut zu beobachten am Publikum, denn an diesem Abend kamen 90 Prozent der Zuschauer aus Berliner Schulen. Bei Woyzeck im Berliner Ensemble wurde viel mit den Handy gespielt und herumgerutscht, während die farbigen Projektionen und das Bühnenbild im Deutschen Theater die Handlung immer wieder unterbrach und die Aufmerksamkeit neu anfachte.
Im Mittelpunkt von Georg Büchners “Woyzeck” steht die Ermordung seiner Geliebten Marie, aus Eifersucht erdolcht er die Frau in einem Teich. Aus dieser Tat heraus steigert er sich in eine Art Raserei. Der Titelheld Franz Woyzeck ist ein armer Hund, abgemagert und von schlichten Geist.
Am Berliner Ensemble zeigt Ersan Mondtag eine Szenerie in einem abgelegenen Wald mit einem Woyzeck (Maximilian Diehle) , der apathisch mit fettigem Langhaar an einem Teich herumlungert und jede Richtung in seinem Leben verloren hat.
Erstaunlich ist das rein männliche Ensemble, Marie wird von Gerrit Jansen gespielt, um das gefährliche Potenzierung von Gewalt zu verdeutlichen. Was mit einem Ringelreihen inmitten von Campingszenen beginnt, endet mit der totalen Ausgrenzung des Woyzecks, man zwingt ihn auf allen Vieren zu krabbeln, zum Amüsement der Gruppe.
So ganz anders am Deutschen Theater, Ein spannendes Bühnenbild, wo eine Wohnetage in unterschiedlichen Projektionen gezeigt wird. Man sieht eine Frau, Lorena Handschin, und einen Mann, Enno Trebs. die streiten und diskutieren. Die Frau will den Mann verlassen, wo jener unter allen Umständen verhindern will. In einer Neufassung des Woyzeck – Sujets haben Mahin Sardri und Amir Reza Koohestani zahlreiche Tondokumente eingearbeitet, die von Gewaltverbrechen an Frauen in der Gegenwart berichten.
Im eigentlichen Schauspiel ist Marie hier eine Hospitantin und lernt den Schauspieler Franz bei Proben zu “Woyzeck” kennen. Die beiden werden ein Paar und Marie zieht in seine wenig charmante Bude ein. Aber schon nach wenigen Monate will sie sich trennen, doch der erste Lockdown macht ihre Pläne zunichte und es entsteht eine Art Zwangsgemeinschaft. Endlich findet Marie den Absprung, er bittet um eine letzte Zigarette auf dem Dach, er schubst über das Geländer.
Doch der zweite Anlauf gelingt, diesmal verweigert sie die Zigarette und besteht darauf, ihre Sachen einzupacken und die Wohnung zu verlassen.
Man könnte sagen, eher leichtere Kost im Vergleich zum Berliner Ensemble, aber die Tondokumente haben eine solche Eindringlichkeit und lassen erschrecken, dass der Zuschauer mit der Alltagssituation des Paars wieder ins Gleichgewicht gerät. Das Publikum zeigte sich begeistert. Ein gelungener Theaterabend.