William Kentridge gehört zu den wenigen zeitgenössischen Künstlern, die den Betrachter an die Hand nehmen. Er lässt jeden an seinen Gedanken teilnehmen, zeigt Einblicke in die zahllosen Details, die hinter seinen Arbeiten stecken.

In diesem Jahr ist William Kentridge 70 geworden, ein guter Anlass für das Folkwang Museum Essen und das Dresdner Albertinum, diesen universellen Künstler zu feiern. In Johannesburg geboren, mit jüdisch-litauischen Wurzeln, erprobt er sich schon früh als Schauspieler, Designer und Theaterregisseur. Heute gehören Druckgrafiken, Collagen, Skulpturen, Tapisserien, kinetische Objekte und Puppentheaterstücke zu seinem künstlerischen Repertoire. Besonders beeindruckend sind seine Animationsfilme, dabei zeichnet Kentridge jedes Einzelbild mit Kohle oder Graphit.

Die Ausstellung im Albertinum ist eine gelungene Dokumentation von Dresdner Barockgeschichte und südafrikanischer Apartheidspolitik. Der Besucher steht zwischen den Kartons des „Fürstenzugs“ und der Filminstallation “ More sweetly play the Dance“. Begleitet von einer Brass Band, schleppt sich eine Prozession von geknechteten schattenhaften Figuren über die Leinwand. Welch ein Kontrast, im Film mühen sich die Menschen zu Fuss während beim Fürstenzug elegante Aristokraten auf geschmückten Pferde paradieren.


Die Kunst von William Kentridge ist immer politisch. Aufgewachsen in einem Südafrika, das durch die Apartheidspolitik gebrandmarkt ist, bleibt das Thema für den Künstler virulent. Immer geht es um Menschenrechte und das hat in Dresden eine gute Tradition. Da sind die festlichen Umzüge von August dem Starken noch eine Selbstdarstellung des Adels, aber mit dem 19.Jahrhundert marschieren die Bürger auf die Strasse, zu DDR-Zeiten die organisierten Paraden zu DDR-Zeiten und die Friedliche Revolution um 1989. Auch die Pegida-Protestmärsche gehören dazu und haben der Stadt einen Stempel aufgedrückt.

Es schließt sich ein zweiter Film an „Oh To Believe in Another World“ von 2022. Es ist eine zauberhafte Bildcollage welche das kurze Aufkeimen der russischen Avantgarde thematisiert, bevor Stalin jede Extravaganz abwürgt. Die Frage nach der Machbarkeit von Utopien ist ein Kernthema von Kentridge und jene Phase zwischen Lenin und Stalin war rasch dem Untergang geweiht.

Untermalt von der 10. Sinfonie des russischen Komponisten Dimitri Schostakowitschs, der sehr unter der Willkür Stalins gelitten hat. Nach dessen Tod 1953 wird diese Sinfonie uraufgeführt- ein düsteres Stück Musik- und manche sehen als Abrechnung mit dem Regime.


In „Oh To Believe In Another World“ wird die Ära vom Tod Lenins (1924) bis zum Ende der Herrschaft Stalins (1953) als Collagen dargestellt. In nächsten Raum lässt sich viel über die Machart der Protagonisten erleben.



Die Ausstellung William Kentridge – Listen to the Echo – ist noch bis zum 4. Januar im Albertinum Dresden zu sehen. Eine große Bereicherung bietet der elegante Katalog aus dem Steidl Verlag. www.albertinum.skd.museum www.steidl.de

In der Dresdner Philharmonie wird am 14. Februar 2026 der Film „To Believe in another World“ von William Kentridge gezeigt, untermalt mit der 10. Sinfonie von Schostakowitsch. Dirigent ist Michael Sanderling. www.dresdnerphilharmonie.de