Wer denkt bei Bangladesh nicht an Billigmode, an menschenunwürdige Arbeit in baufälligen Hallen, an Überschwemmungen und Menschen auf der Flucht. Bis Mitte Juni zeigt das Architekturmuseum München ein völlig anderes Bild von dem ehemaligen Ostpakistan.
Dabei sind die massiven Probleme eine schöpferische Kraft für die Architektur in Bangladesh, wo es nach westlicher Betrachtungsweise an vielem mangelt.
Aber Marina Tabassum, in Dacca geboren, hat die Herausforderung angenommen und entwirft eine Architektur im Einklang mit der Tradition, dem Klima und der Kultur im Ganges-Deltas. Dabei spielen lokale Materialien wie der beliebte Backstein und notabene die Atmosphäre eine tragende Rolle, besonders in spirituellen Gebäuden wie der Moschee Bait Ur Rouf aus dem Jahr 2012.
Es ist eine Symphonie aus Backstein und Licht entstanden und brachte ihr 2016 den renommierten Aga Khan Award.
Seit Menschengedenken lebt dieses Land im gewaltigen Delta von Ganges, Brahmaputra und Meghna von den Überschwemmungen, um die Felder fruchtbar zu halten. Doch mit dem steigenden Meeresspiegel versalzen die Flächen und die Ernten fallen aus. Hinzu kommt das gewaltige Wachstum der Bevölkerung, noch verstärkt durch den Ansturm von Migranten, die Hauptstadt Dhaka zählt aktuell 15 Millionen Menschen.
So lag es auf der Hand ein preiswertes Haus für die Bewohner des Ganges-Delta zu konzipieren, das sie nach einem Unwetter wieder selbstständig aufbauen konnten. Dieses Projekt wurde 2017 mit Studenten und einheimischen Handwerkern während Tabassum Lehrtätigkeit an der Harvard Universität realisiert.
Bemerkenswert an diesem Hochhaus ist die Tatsache, dass ohne Klimaanlagen gebaut worden, denn der kühlende Wind wird durch Verschiebungen in der Backsteinfassade geleitet. Dazu plätschern Brunnen im Innern des Gebäudes.
In der Ausstellung werden verschiedene öffentliche und private Bauprojekte gezeigt, die sie 1995 zunächst mit dem Architekturbüro Urbana und seit 2005 mit ihrem eigenen Büro umgesetzt hat.
Dazu zählen das Denkmal und Museum für Unabhängigkeit in Dhaka genauso wie ihr Engagement für die 1,2 Millionen Rohingya- Flüchtlinge, für die sie ein kostengünstiges, mobiles, modulares Haussystem aus Bambus entwarf.
Die Ausstellung ist bis zum 11. Juni im Architekturmuseum München zu sehen. Der schön gemachte Katalog zur Ausstellung und Person Marina Tabassum kostet 48 €. www.architekturmuseum.de